Wenn Träume wahr werden ....
Ach, so eine Hundeschlittentour, das wäre doch bestimmt aufregend. Treue Hundeblicke, in der Sonne glitzernde Eiskristalle, staubender Pulverschnee und das Dahingleiten durch eine Landschaft in die natürlich kein Mensch vor uns je seinen Fuß setzte. Na dann, klar sind wir durchschnittlich sportlich, haben schon mal draußen geschlafen und haben Lust auf Abenteuer! Schon nahmen wir Abstand von einer gewöhnlichen Hüttentour – die Biwaktour, das einzig Wahre. Ein Lawu (norwegisches Zelt) in Jochens Garten und ein paar süße Hunde, erste Runden auf dem Trainingsschlitten und ein ausgiebiges Frühstück machten uns hart für Nordland.
Yapp, Nero, Sana, Donna, Taura, Neon und Totta, Snickers, Mars, Fenris, Bp, Balder – das waren die Hunde die unsere beiden Gespanne über fünf Tage durch die Wildnis ziehen sollten. Insgesamt waren wir mit 55 Hunden unterwegs, das sind 55 treue Hundeblicke und wir – der Norweger John, unser Guide, Jochen unser Held, Barbara und Manfred, Klaus und wir beide, Andrea und Andreas. Nach der ersten Nacht im Lawu verbrachten, die wir bei Johns Haus verbrachten – hatten wir schon erwähnt, daß wir minus 25 Grad hatten – ging es bei strahlendem Sonnenschein los. Ein Hochgefühl, schon nach kurzer Zeit war man mit Hunden und Schlitten eins geworden. Wo war der Vordermann? Na, egal, Jochen hatte ja gesagt, ein guter Leithund findet den Weg. Nur jetzt wollte mein Leithund plötzlich umdrehen, was bei sechs Hunden und einem „ erfahrenen“ Musher wie mir zu gewissen Komplikationen, also einem großes Hundeknäuel vor dem Schlitten, führt. Kein Problem, einfach neu sortieren und fertig! Dumm nur, daß die Hunde einfach nicht dahin wollten, wohin ich dachte, wollen zu müssen. Aber nach einer Weile tauchte Gott sei Dank Jochen auf und erklärte nebenbei, daß ich auf einem völlig falschem Weg war, mein Leithund hatte als Recht. Nach dem Entwirren der Hunde entwirren und dem Rückweg zur Gruppe lief es dann aber. jetzt. John der Norweger mit Abstand voran, Jochen und wir fünf über einen friedlichen, kleinen See hinterher. Vor Einbruch der Dunkelheit erreichten wir unseren ersten Lagerplatz. Jetzt hieß es Zelt aufbauen und uns von Jochen köstlich bekochen lassen.
Eine sternenklare Nacht, eisig kalt und plötzlich sahen wir es – das Nordlicht! Erst schwach, dann immer stärker werdend spannten sich Lichtfäden zu einer gigantischen Kuppel am Himmel, unbeschreiblich und wunderschön. In dieser Nacht wollten wir beide draußen schlafen, ob im oder außerhalb des Zeltes – bei Windstille ist es gleich kalt und kalt hieß in dieser Nacht minus 30Grad. Je zwei Schlafsäcke ineinander, ein kurzer Kampf mit den diversen Reißverschlüßen und den Dingen, die auf keinen Fall gefrieren sollten, z.B. Innenschuhe und Handschuhe, diverse andere Kleinigkeiten die unsere Schlafsäcke mit uns teilten. Kapuze fest über den Kopf und ein letzter Blick auf den Himmel bevor die Träume einen einholten.
Als wir am nächsten Morgen wach wurden, hatte es zu schneien begonnen und eine dünne Schicht Schnee bedeckte bereits unsere Schlafsäcke. Barbara, unsere Feuerfrau, hatte bereits im Zelt in Jochens kleinem Ofen Feuer gemacht und im Zelt wurde es langsam warm zum Frühstück. Rösch-schwarzes Toastbrot mit Salami oder Konfitüre – ahh, lecker und dazu heißer Tee oder Cappuchino. Derweilen wurden von John die Hunde gefüttert und unserer gefrorenen Schlafsäcke hatten ein wenig Zeit zu trocknen. Nachdem alles ordentlich verzurrt war, ging es in unseren zweiten Tag. Die ersten Meter gleitete der Schlitten noch durch die Landschaft, doch dann ging es bergauf und schon war es vorbei mit dem Gleiten. Bergauf heißt mitschieben oder mitlaufen, den Schlitten immer wieder mal in die Spur ziehen, falls das Gelände seitlich abfiel und möglichst nicht stehen bleiben, da jedes Anfahren für die Hunde und für uns zusätzlichen Kraftaufwand bedeutete. Von wegen durchschnittlich sportlich, aber wir wurden belohnt. Nach mehrstündigem Aufstieg erreichten wir die Hochebene des Helagsgletschers, wir fühlten uns wie am Nordpol! Vor uns eröffnete sich eine phantastische Eiswüste. Die Atmosphäre des Nordpols verstärkte sich noch mit zunehmenden Wind und aufkommendem Schneefall. Als wir gegen Abend die Hütte des Helagsgletschers erreichten war der Wind bereits so stark, daß man jeden Gegenstand, vom Hundegeschirr bis zur Skibrille einzeln festhalten oder festbinden mußte. Da die Hütten fast bis unters Dach eingeschneit waren ging es zum Eingang erst mal zwei Meter hinab. Keine Frage, selbstverständlich hätten wir auch im Schneesturm das Zelt aufgebaut oder gar draußen bei den Hunden geschlafen, doch drinnen erwarteten uns eine Sauna und echte Betten. Die Entscheidung dauerte keine Sekunde – welch ein Genuß.
Am nächsten Morgen hatte sich der Schneesturm keineswegs gelegt, im Gegenteil. Wo war der Schlitten und wo die Hunde ? Fest eingerollt hatten sie diese Nacht im Freien verbracht, also mußte wohl hinter ihnen der Schlitten sein, den wir nach einigem Schaufeln auch freigelegt hatten. Packen und Hunde anspannen, entpuppte sich bei diesen Bedingungen als nicht ganz einfach, aber schließlich brachen wir auf. Es folgte eine unwirkliche Fahrt durch waagerecht peitschenden Schnee, der auf unseren Sturmmasken eine Eisschicht hinterließ. Das vorausfahrende Gespann war nur noch schemenhaft zu erkennen und somit war es kein Wunder, daß das letzte Gespann den Anschluß verlor ohne daß es jemand sofort bemerkte. Bei solchen Bedingungen ist es auch für die Hunde schwierig die Orientierung zu behalten und ist der Kontakt erst einmal abgerissen und die Hunde stehen geblieben, heißt es Ruhe bewahren und warten – bei einer Sicht von nur einigen Metern hätte ein Abkommen von der Spur unter Umständen fatale Folgen. Nach einer Stunde mit unruhigen Gefühlen waren wir wieder zusammen und alle erleichtert. Durch einen tief verschneiten Birkenwald ging es nun rasant ins Tal – der Wind ließ langsam nach, auch der Schneefall hatte aufgehört, aber unser Ziel, das Futterdepot, konnten wir heute nicht mehr erreichen. Also bauten wir unser Lager in einem Talgrund auf. Durch den Abbruch der Tagestour hatten wir heute ein wenig mehr Zeit Jochens Biwakwunderküche zu genießen – Rentiergeschnetzeltes und Mousse au Chocolat bereiteten uns einen vergnüglichen Abend.
Unglaublich aber wahr, der nächste Tag begrüßte uns mit strahlendem Sonnenschein und einem lauten Freudenschrei von John, der während der Tour in einem eigenen kleinen Zelt übernachtete. Wenn wir gewußt hätten was folgt, hätten wir uns vielleicht nicht so leicht aus unseren Schlafsäcken locken lassen, aber so starteten wir voller Begeisterung in den Tag. Klar, zunächst ging es vom Talgrund her ordentlich bergauf – wir überquerten einen kleinen Gebirgszug und fuhren auf der anderen Seite zu einem kleinen See, wo auch das Futterdepot lag, hinab. Leicht erschöpft erreichten wir das Depot – der Anstieg war doch recht anstrengend gewesen. Jochens Nudelsuppe und Johns Aussage, daß es am Nachmittag nicht mehr so steil werden würde – außer eben ein wenig schieben – ließen uns den Nachmittag mit neuem Mut angehen.
Es ging bergauf und wir sahen gegenüber des Tals aus dem wir kamen den Helagsgletscher, ein phantastischer Anblick. Es wurde steiler und nach einer schattigen Hochebene ging es erst richtig los. Jochens Hunde steckten im Tiefschnee fest und konnten nur mit Mühe zum Weiterlaufen animiert werden. Jedes Stehenbleiben bedeutete ein kräftiges Anschieben des Schlittens. An Mitfahren war kaum mehr zu denken, meist stapften wir im Tiefschnee den Schlitten hinterher. Weiter oben sahen wir eine kleine Hütte, dort mußte ja wohl John sein, denn weiter konnte es doch nicht sein. Doch Johns Spur hielt hier nicht an, sie führte weiter den Berg hinauf.
Über uns ein Sattel – nur noch einige hundert Meter, aber jetzt konnten wir die Hunde weder mit Streicheln noch mit Zurufen zum Weiterziehen überreden. Während wir versuchten einen Schlitten vorwärts zu bringen, machten sich die beiden hinteren Gespanne über den, im Schlitten verladenen, frischen Lachs her, den wir als Futter für die Hunde dabei hatten. Die Folge war, daß sich zwei Schlitten vollkommen ineinander verkeilt hatten, verbunden mit bösen Knurren, Zähnefletschen und Zerren. Letztendlich gelang es uns trotz aller Mühe nicht die Hunde zum Weiterlaufen zu bewegen und waren heilfroh als wir Jochen von oben kommen sahen. Auch er war bereits angeschlagen, aber dennoch schafften wir es mit seiner Hilfe alle Gespanne auf den Sattel zu bekommen. Dort erwartete uns eine phantastische Aussicht im letzten Tageslicht, die wir angesichts der vorherigen Mühe und der folgenden Abfahrt nur bedingt genießen konnten. Aber der Gedanke an die geplante Hüttenübernachtung trieb uns immer weiter und weiter. Nach weiteren zwei Stunden kam uns John entgegen. Inzwischen hatte auch er sich Sorgen gemacht und auf Grund der fortgeschrittenen Uhrzeit beschlossen, anstelle der Hütte im Zelt zu übernachten. Somit bauten wir gegen 22:30 Uhr erschöpft das Lager auf und Jochen streichelte einmal mehr mit einem guten Essen unsere Seelen.
Unser letzter Tourtag, heute sollten wir mit einer einfachen Fahrt über den Femundsee Drevsjö erreichen. Die letzten Höhenmeter hinab zum See, durch einen wunderbaren Wald, waren reine Erholung. Wir fuhren über zwei kleine, in Wälder eingebettete Seen zum großen Femundsee. Die Sonne begleitete uns und so waren die ersten 30 km des Sees ebenfalls entspannend, mit viel Zeit und Ruhe die Landschaft zu genießen. Da wir in keiner festen Spur fuhren und die Hunde vom Vortag müde waren, waren die Schlitten relativ langsam, so daß wir bei Einbruch der Dunkelheit das Ende des Sees immer noch nicht erreicht hatten. Aber da war es wieder – das Nordlicht! Unglaublich schön, in gelbgrünen Schlangenlinien am Himmel. Die Hunde des ersten Gespanns mußten inzwischen mit Mitlaufen und Streicheleinheiten zum Laufen bewegt werden. Endlich erreichten wir das Ufer. Für einen der Hunde war hier endgültig Schluß. Er konnte nicht mehr und ließ sich regelrecht mitschleifen. Kurzerhand wurde er auf den Schlitten verladen. Bis zum nächsten Stopp war er Passagier, dort mußten wir wenige Kilometer vor dem Ziel die Hunde noch mal umspannen. Für die letzten in der Gruppe hieß das warten, ohne zu wissen warum. Informationen dringen in solchen Situationen nur schlecht nach hinten durch. Die Hunde in den Lichtkegeln der Stirnlampen, ein von Sternen erleuchteter Wintermärchenwald lassen alle Anstrengungen vergessen und erfüllten unsere Herzen mit unbeschreiblichem Glück!
Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Im Hundecamp wurden wir bereits erwartet, die Helfer kamen auf uns zu, machten die Schlitten fest. Das Gepäck wurde auf einen Pick-Up verladen. Wir knuddeln unseren treuen Hunde zum Abschied, verdrücken uns dabei so manche Träne während im Camp schon ein wärmendes Abendessen vor prasselndem Kaminfeuer auf uns wartet.
.... kommen unbeschreibliche Abenteuer, deren Eindrücke und Erinnerungen für immer bleiben.